Die einzelnden lyrischen Besonderheiten sind in den seperaten Einträgen zu finden. Goethe verwendet in seinem Werk Faust I eine besonders große Vielfalt an Stilmitteln, Reimschemata und Sprachvarianten. Er bietet dem Betrachter des Stückes die wohl größte Vielfalt in seiner Zeit. Doch setzte er diese Vielfalt nicht zufällig ein, sondern nutzte die sprachlichen Ausformungen, um die Nuancen im Inhalt durch sprachliche Mittel besonder gut zu unterstreichen. Goethe spielte mit Formen und Ausdrucksweisen und brachte das Werk in eine für seine Zeit besonders ungewöhnliche neue Form.
Bei der Interpretation sollte man besonderes Augenmerk auf die Szene Trüber Tag legen, denn sie ist die einzige Szene, die nicht in Versform verfasst wurde. Die häufigste Versform ist der Knittelvers, diesen verwendet Goethe fast durchgehend. Ansonsten ist das gesamte Werk zu komplex und vielseitig, um es in einigen kurzen Sätzen zusammen zu fassen.
| Versform/ Strophenform / Metrum | Was ist das/ Einordnung | Wirkung | Beispiel | 
| Adonius oder adonischer Vers | Dakylus verbunden mit einem Trochäus AaAa | IN VIELEN CHORGESÄNGENGeister. Schwindet ihr dunkeln Wölbungen droben! Reizender schaue, 
[93] 
1450Freundlich, der blaue Aether herein! Wären die dunkeln Wolken zerronnen! Sternelein funkeln, 
1455Mildere Sonnen Scheinen darein. Himmlischer Söhne Geistige Schöne, Schwankende Beugung 
1460Schwebet vorüber. Sehnende Neigung Folget hinüber; Und der Gewänder Flatternde Bänder 
1465Decken die Länder, Decken die Laube, Wo sich für’s Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben. 
1470Laube bey Laube! Sprossende Ranken! [94] Lastende Traube Stürzt in’s Behälter Drängender Kelter, 
1475Stürzen in Bächen Schäumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Höhen 
1480Hinter sich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genüge Grünender Hügel. Und das Geflügel 
1485Schlürfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, Die sich auf Wellen 
1490Gauklend bewegen; Wo wir in Chören Jauchzende hören, Ueber den Auen [95] Tanzende schauen, 
1495Die sich im Freyen Alle zerstreuen. Einige glimmen Ueber die Höhen, Andere schwimmen 
1500Ueber die Seen, Andere schweben; Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne 
1505 
     
   Seliger Huld. | |
| Alexandriner | Im Barock populär, Jambisch, 6 Hebungen, Paarreim, enthält
   Zäsur nach dritter Hebung | Wirkt unregelmässig und belebt ist dem jamischen Trimeter eher gegenteilig | |
| Blankvers | Jambisch, 5 Hebungen, keine Reime Shakespeare verwendete diesen Vers oft | Eher ruhiger Ton, unterstreichen Fausts ernste Gedankengänge | Faust allein. Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst Dein Angesicht im Feuer zugewendet. 
3220Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, Vergönnest mir in ihre tiefe Brust, Wie in den Busen eines Freund’s, zu schauen. 
3225Du führst die Reihe der Lebendigen Vor mir vorbey, und lehrst mich meine Brüder Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. Und wenn der Sturm im Walde braus’t und knarrt, Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste 
[215] 
3230Und Nachbarstämme, quetschend, nieder streift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert; Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich. 
3235Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber; schweben mir Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch, Der Vorwelt silberne Gestalten auf, Und lindern der Betrachtung strenge Lust. 
3240O daß dem Menschen nichts
   Vollkomm’nes wird, Empfind’ ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den Göttern nah’ und näher bringt, Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, 
3245Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schönen Bild geschäftig an. [216] So tauml’ ich von Begierde zu Genuß, 
3250Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde. | 
| Daktylus | |||
| Faustvers | Jambisch, Aus Madrigalvers, meist mit 5 Hebungen ( gelegentlich auch mit 2-6 Hebungen) | ||
| Freie Rhytmen | Reimlos und ohne Metrum, Verse haben jedoch einen individuellen Rhytmus | Unterstreichen die Gefühlslage von Faust, auch die Leidenschaft. Werden gemäß des Sturm und Drang ( wo eine Aufhebung starrer Dichterregeln gefordert wird) auch verwendet um die, für den Sturm und Drang typische, Gefühlsbetontheit zu unterstreichen | Es wölkt sich über mir – Der Mond verbirgt sein Licht – 
470Die Lampe schwindet! Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen Mir um das Haupt – Es weht Ein Schauer vom Gewölb’ herab Und faßt mich an! 
475Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist. Enthülle dich! | 
| Fünfheber | 
Ein braver Kerl von echtem Fleisch
   und BlutIst für die Dirne viel zu gut. Ich will von keinem Gruße wissen, Als ihr die Fenster eingeschmissen! | ||
| Fünftakter, regelmäßig | feierlich | ||
| Jambus | Unbetont Betont | VerBot | |
| Jambischer Trimeter | Jambisch mit 6 Hebungen, keine Zäsur , auch Senar genannt, Reimlos, populär im antiken Drama | Ermöglicht flüssige Rede ( gegensätzlich zum Alexandriner ) | Faust II | 
| Knittelvers | Vier Hebungen, Senkungen nach Bedarf, Paarreim, im Epos/Drama des 15./16.Jhd | Wirkt unbeschwert aber auch urtümlich und ein wenig
   altmodisch, wirkt rustikal bezogen auf Faust: drückt seine Unausgelichenheit aus | Ich gäb’ was drum, wenn ich nur wüßt’, Wer heut der Herr gewesen ist! 
2680Er sah gewiß recht wacker aus, Und ist aus einem edlen Haus; Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen – Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen. ab. | 
| Madrigalvers | Einheitliches oder wechselndes Metrum, alternierend, wechselnde Reimstellungen auch mit Waisen, freie metrische Form. Aus dem italienischen, meist im Barock populär, im Franz. Vers Libres | Wirkt fröhlich dahin plaudernd wird auch vor allem von Mephisto verwendet, das zeigt wie spöttisch und herablassend er ist, unterstreicht seine Rolle als Schalk | Wie kommt das schöne Kästchen hier herein? Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein. 
2785Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne seyn? Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand, Und meine Mutter lieh darauf. Da hängt ein Schlüsselchen am Band, [179] Ich denke wohl, ich mach’ es auf! 
2790Was ist das? Gott im Himmel! schau, So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn! Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau Am höchsten Feiertage gehn. Wie sollte mir die Kette stehn? 
2795Wem mag die Herrlichkeit gehören? Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel. Wenn nur die Ohrring’ meine wären! Man sieht doch gleich ganz anders drein. Was hilft euch Schönheit, junges Blut? Das ist wohl alles schön und gut, 
2800Allein man läßt’s auch alles seyn; Man lobt euch halb mit Erbarmen. Nach Golde drängt, Am Golde hängt Doch alles. Ach wir Armen! | 
| Paarreim | |||
| Regelmässiger Vierheber | Ruhige Wirkung unterstreicht Fausts Nachdenklichkeit | Alle. Gesundheit dem bewährten Mann, Daß er noch lange helfen kann! Faust. Vor jenem droben steht gebückt, 
1010Der helfen lehrt und Hülfe schickt. Er geht mit Wagnern weiter. | |
| Stanze | Ab ab ab cc Feierliche Liedform mit fünfhebigen Jamben, acht Zeilen | Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten? Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? 
5Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, 
10Und manche liebe Schatten steigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage, Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, 
15Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden. Sie hören nicht die folgenden Gesänge, Die Seelen, denen ich die ersten sang, Zerstoben ist das freundliche Gedränge, 
20Verklungen ach! der erste Wiederklang. Mein Lied[1] ertönt der unbekannten Menge, Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. 
25Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen, Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich, Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen, 
30Das strenge Herz es fühlt sich mild und weich; Was ich besitze seh’ ich wie im weiten, Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten. | |
| Terzine | 3 zeilige Strophen werden aneinander gereiht und schließen mit einer vierzeiligen Stophe ab aba bcb cdc dede | Faust II | |
| Trochaische Viertakter | Sehr stilisiert | Faust II | |
| Trochäus | Betont Unbetont | Abend | |
| Volksliedstrophe | 4-9 Zeilen pro Strophe, 3-4 hebig, freie Reimordnung | Es
   war ein König in Thule 
2760Gar
   treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darüber, Er leert ihn jeden Schmaus; 
2765Die
   Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zählt’ er seine Städt’ im Reich, Gönnt’ alles seinem Erben, 
2770 
          Den
   Becher nicht zugleich.Er
   saß beym Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Väter-Saale, Dort auf dem Schloß am Meer. 
2775Dort
   stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensgluth, Und warf den heiligen Becher Hinunter in die Fluth. Er sah ihn stürzen, trinken 
2780Und
   sinken tief ins Meer, Die Augen thäten ihm sinken, Trank nie einen Tropfen mehr. | 
 
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