Wie in der Szene zuvor verabretet findet nun das Treffen mit den Liebenden statt. Marte trifft sich mit Mephisto und Faust sich mit Gretchen in dem Garten. Marthe fühlt sich dem weitgereisten Weltmann Mephisto unterlegen und hat das Gefühl ihm nicht gewachsen zu sein. Sie bringt ihre Bewunderung für ihn zum Ausdruck.
Personen
Marthe
Gretchen
Mephisto
Faust
Ort
Im Garten
Interpretation
In dieser Szene sind zwei Dialoge miteinader verwoben. Margarete führt ein Gespräch mit Faust, Mephisto mit Marthe. Beide Paare reden nur unter sich, nicht miteinander. Sie gehen im Garten spazieren und unterhalten sich. Beide Paare haben die selben Themen: Die Frauen bewundern die Herren dafür, dass sie Männer von Welt sind und geben Einblick in ihre eigene, kleine Welt. Beide Frauen stammen aus einfachen Verhältnissen und schildern ihren harten Lebenalltag. Sie sind sich auch ihrer Einfachheit bewußt wie Martes Worte am Anfagn zeigen ( 3077 ). Gretchen zieht sogar ein Pflegekind auf, von dem sie erzählt. Auch Marthe weiß von ihrem Alltag als Hausfrau zu berichten. Beide Damen präsentieren sich von der Seite, wie Männer sie besonders gerne sehen. So galten zu Goethes Zeiten und weitaus später ebenfalls noch, jene Frauen als besonders gut, die sich um Haushalt und Kindererziehung kümmerten. Bildung war bei Frauen weniger gefordert. So erklärt sich, dass Gretchen auf diese Weise dargestellt wird. Sie entspricht dem damaligen Ideal einer frommen, fleissigen Frau, die brav noch ein Kind das nicht ihres ist aufzieht und außerdem in der Lage ist einen Hausstand zu führen. Die Damen fühlen sich unterlegen in Sachen Gesprächsführung ( 3077). Die Szenen wechseln sich strickt ab, sodass die Dialoge zwar unabhängig voneinander geführt werden, jedoch ineinander verwoben sind. Zudem sind so die Gespräche zwischen den Paaren immer in ähnlichen Stadien.#
Mephisto spielt auch in dieser Szene wieder sein Spiel mit den Menschen, in diesem Fall mit Marthe. Er suggeriert ihr, dass er doch gar nicht all zu gerne Abschied nimmt, und das ihm das oberflächliche Leben als Weitreisender zuwider sei ( 3089..). Im Großen und Ganzen beschäftigen sich die Paare nur mit sich selbst, bis zum Schluss wo sich Marthe über die Beziehung zwischen Faust und Gretchen äußert ( V 3202 und f.).
Marthe fühlt sich Mephisto unterlegen, ist aber dankbar für seine GegenwartGarten.Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazirend.--> Margarete.
Ich fühl’ es wohl, daß mich der Herr nur schont,
Herab sich läßt, mich zu beschämen.
-->
3075Ein Reisender ist so gewohnt
Aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen,
Ich weiß zu gut, daß solch’ erfahrnen Mann
Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
Faust.
Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält,
3080Als alle Weisheit dieser Welt. Er küßt ihre Hand.
[201]
Margarete.Gehn vorüber.
Incommodirt euch nicht! Wie könnt ihr sie nur küssen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab’ ich nicht schon alles schaffen müssen!
Die Mutter ist gar zu genau.
Margarete ist gerührt , weil Faust ihre Hand küsst. Sie nennt sie rau und garstig von der vielen ArbeitMarthe.
3085Und ihr, mein Herr, ihr reis’t so immer fort?
Mephistopheles.
Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!
Mit wie viel Schmerz verläßt man manchen Ort,
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
Marthe.
In raschen Jahren geht’s wohl an,
3090So um und um frey durch die Welt zu streifen;
Doch kömmt die böse Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu schleifen,
Das hat noch keinem wohl gethan.
Mephistopheles.
Mit Grausen seh’ ich das von weiten.
Marthe.Gehn vorüber.
3095Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.
Margarete.
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Höflichkeit ist euch geläufig;
Allein ihr habt der Freunde häufig,
Sie sind verständiger als ich bin.
Margerete vergleicht sich mit Marthe, Faust betont die Vorzüge von GretchenFaust.
3100O Beste! glaube, was man so verständig nennt,
Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.
Margarete.
Wie?
Faust.
Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil’gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben
3105Der liebevoll austheilenden Natur –
Margarete.
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.
[203]
Gretchen ist ein einfaches Mädchen, das sich auf die Hausarbeiten gut versteht, da sie keine Magd hat.Faust.
Ihr seyd wohl viel allein?
Margarete.
Ja, unsre Wirthschaft ist nur klein,
3110Und doch will sie versehen seyn.
Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken
Und nähn, und laufen früh und spat;
Und meine Mutter ist in allen Stücken
So accurat!
3115Nicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;
Wir könnten uns weit eh’r als andre regen:
Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,
Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.
Doch hab’ ich jetzt so ziemlich stille Tage;
3120Mein Bruder ist Soldat,
Mein Schwesterchen ist todt.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;
Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage,
So lieb war mir das Kind.
Faust.
Ein Engel, wenn dir’s glich.
[204]
Sie berichtet davon, dass sie ein Pflegekind groß gezogen hat und das sie dies nach dem Tod ihres Vaters weiter tat. Sie behandelte das Kind als sei es ihr EigenesMargarete.
3125Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.
Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie sie damals lag,
Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.
3130Da konnte sie nun nicht d’ran denken
Das arme Würmchen selbst zu tränken,
Und so erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Wasser; so ward’s mein.
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
3135War’s freundlich, zappelte, ward groß.
Faust.
Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.
Margarete.
Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.
Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett’, es durfte kaum sich regen,
3140War ich erwacht;
Bald mußt’ ich’s tränken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett’ aufstehn,
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
[205]Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;Gehn vorüber.
3145Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
Und immer fort wie heut so morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;
Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.
Margerete schildert ihren tristen Alltag in ihrem Haushalt und das sie hart in dem Haushalt arbeiten muisste, Marthe bedauert sie dafürMarthe.
Die armen Weiber sind doch übel dran:
3150Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.
Marthe wundert sich, dass ein Mann wie Mephisto noch nicht in festen Händen ist.Mephistopheles.
Es käme nur auf eures gleichen an,
Mich eines bessern zu belehren.
Marthe.
Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden?
Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
Mephistopheles.
3155Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,
Ein braves Weib, sind Gold und Perlen werth.
Marthe.
Ich meine, ob ihr niemals Lust bekommen?
Mephistopheles.
Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.
[206]
Marthe.
Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in Eurem Herzen?
Mephistopheles.
3160Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.
Marthe.
Ach, ihr versteht mich nicht!
Mephistopheles.
Das thut mir herzlich leid!
Doch ich versteh’ – daß ihr sehr gütig seyd.
Mephisto und Marthe unterhalten sich gut und sie fragt ihn ob er nie ernste Absichten mit Frauen hatte
Gehn vorüber.
Faust.
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
Margarete.
3165Saht ihr es nicht? ich schlug die Augen nieder.
Faust.
Und du verzeihst die Freyheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen?
Margarete.
Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
3170Es konnte niemand von mir übels sagen.
[207]
Margerete erkärt es bereut zu haben, dass sie nicht rechtzeitig reagiert hat.Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen
Was freches, unanständiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln.
3175Gesteh’ ich’s doch! Ich wußte nicht was sich
Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte;
Allein gewiß, ich war recht bös’ auf mich,
Daß ich auf euch nicht böser werden konnte.
Faust.
Süß Liebchen!
Margarete.
Laßt einmal!
Faust.
Was soll das? Einen Strauß?
Margarete.
Faust.
Wie?
Margarete.
Geht! ihr lacht mich aus.
Sie rupft und murmelt.Was soll das? Einen Strauß?
Margarete.
3180
Nein, es soll nur ein Spiel.Faust.
Wie?
Margarete.
Geht! ihr lacht mich aus.
[208]
Faust.Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.
Was murmelst du?
Margarete halb laut.
Er liebt mich – liebt mich nicht.
Faust.
Du holdes Himmels-Angesicht!
Margarete fährt fort.
Liebt mich – Nicht – Liebt mich – Nicht –
Er liebt mich!Er faßt ihre beyden Hände.
Faust.
Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort
3185Dir Götter-Ausspruch seyn. Er liebt dich!
Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
Margerete spielt er liebt mich er liebt mich nicht mit einer Blume, dies nimmt Faus zum Anlass ihr stürmisch seine Liebe zu gestehenMargarete.
Mich überläuft’s!
Faust.
O schaudre nicht! Laß diesen Blick,
Laß diesen Händedruck dir sagen
3190Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
[209]Zu fühlen, die ewig seyn muß!drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.
Ewig! – Ihr Ende würde Verzweiflung seyn.
Nein, kein Ende! Kein Ende!
Margarete
Marthe kommend.
3195Die Nacht bricht an.
Mephistopheles.
Ja, und wir wollen fort.
Marthe.
Ich bät’ euch länger hier zu bleiben,
Allein es ist ein gar zu böser Ort.
Es ist als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
3200Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt in’s Gered’, wie man sich immer stellt.
Und unser Pärchen?
Mephistopheles.
Ist den Gang dort aufgeflogen.
Muthwill’ge Sommervögel!
[210]
Marthe.[211]
Er scheint ihr gewogen.
Mephistopheles.
Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Marthe spricht die soziale Kontrolle durch die Nachbarn an, das sie immer begafft werden und ins Gerede kämen.
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