Enthaltenen Zeitangaben: Morgen, als am erstem Ostertage Z 598
Enthaltene Figuren
- Faust
- Wagner
- Erdgeist
- Chöre
- Die Gelehrtentragödie wird eingeleitet
- mit Wagner stellt Goehte Faust einen anderen Gelehrtentypus entgegengestellt.
- Faust allein
- Faust und Geist
- Gespräch mit Wagner
- Faust allein - Monolog
- Chöre
Funktion der Chöre
Sprache
Von 354-807 Knittelvers und freie Rytmen
Inhalt kommentiert
NachtIn einem hoch gewölbten, engen gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.-->
Faust.
Habe nun, ach! Philosophie,
355Juristerey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor;
360
Hat zwar viel studiert weiß aber so gut wie gar nichts, er hat erkannt, dass ihn das Streben nach Wissen nicht weiter bringt, denn er ist nicht klüger als vorher.
leider auch Theologie= Kirchenkritik
Heiße Magister, heiße Doctor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum –
[34]
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Er hat viele akademische Titel errungen und ist in einer Lehrtätigkeit. Aber er glaubt nicht mehr an das was er lehrt.365
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Er weiß das er klug ist aber er ist dennoch verzeifelt.370
Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,
Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Bild des armen Gelehrten, der zwar gebildet ist aber mittellos und weiß das er nichts weiß was ja die wahre Weisheit ist.375
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
Er ist mit dem Leben unzufrieden und möchte sich jetzt der Magie widmen380
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
Er will das Göttliche ergründen (was die Welt im Innersten...), erkennen was wie wirkt und wie zusammenhängt ( Wirkenskraft und Samen), Wirkenskraft und Samen= Metapher385
Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.
[35]
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Hat Selbstmordgedanken, lebensmüde, Faust will Taten, nicht mehr nur studieren390
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Berges-Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöle mit Geistern schweben,
395Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!
Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Er sehnt sich nach Lebendigkeit, nach dem echten Leben und fühlt sich in seinem Wissen gefangen. Er möchte eintauche in die Welt, von der er bisher getrennt war.400
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
405Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
[36]
Alles ist voller Papier, Gläser und Büchsen, alter Dinge und Instrumente. So beschreibt Faust seine Welt.Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrath drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
410Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang’ in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
All diese alten Dinge lähmen seine Kräfte, Lebensregung415
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
420Von Nostradamus eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Nostradamus ist ein bekannter Wahrsager, Sterne Lauf = Astrologie, er meint die Dinge sein Lebelos,425
Wie spricht ein Geist zum andern Geist.
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir erklärt,
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Er beschwört die Geister430
Das gibt ihm Leben zurück, Lebendigkeit, er ist sich nicht im Klaren darüber, ob das gut ist oder nicht von Gott stammtHa! welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?
Er wird erfüllt, glaubt selbst ein Gott zu sein, ist glücklich435Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
440Ich schau’ in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
445Auf bade, Schüler, unverdrossen,
Die ird’sche Brust im Morgenroth!“
Er beschaut das Zeichen.
Faust erkennt, dass die Geister mitten unter uns sind.Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
450Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all’ das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!
455Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?
Die Harmonie der Welt erscheint ihm unecht, ein Schauspiel nur
Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt –
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?
Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.
Er will zur Quelle vordringen, der Natur nahe kommen, sieht den Erdgeist
460Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!
Du, Geist der Erde, bist mir näher;
Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,
Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,
Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,
465Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
Der Erdgeist verspricht Nähe und neue Kräfte
Mit Stürmen mich herumzuschlagen,[39]
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,
Es wölkt sich über mir –
Der Mond verbirgt sein Licht –
Dunkelheit zieht herauf, er fühlt sich lebendiger ( Stürme, Weh und Glück)470
Die Lampe schwindet!
Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen
Mir um das Haupt – Es weht
Ein Schauer vom Gewölb’ herab
Und faßt mich an!
475Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist.
Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All’ meine Sinnen sich erwühlen!
480Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!
Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.
Der Geist den er beschworen hat erscheint
Geist.
Wer ruft mir?
Faust abgewendet.
Schreckliches Gesicht![40]
Die Geister die er rief erträgt er nicht, er kann den Geist nicht sehen Geist.Geist.
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang’ gesogen,
485Und nun –Faust. Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Der Geist macht Faust darauf aufmerksam, dass er ihn ja gerufen habe. Er bezeichnet Faust als furchtsamen Wurm, der alte Faust, der voller Leben ist ist nicht zu finden Faust.Du flehst erathmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
490Faßt Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.
Wo bist du, Faust? des Stimme mir erklang,
495Der sich an mich mit allen Kräften drang?
Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
500Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen!
Der Geist erklärt das er alles ist, von Anfang bis Ende im Leben Faust.Geist.
In Lebensfluthen, im Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
505Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
510Der du die weite Welt umschweifst,
Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!
Geist.
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
Verschwindet
Der Geist gibt an von Faust nicht verstanden worden zu sein
Faust zusammenstürzend.
Nicht dir!
515Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir![42] Es klopft.
Faust verliert seinen MutO Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus –
Es wird mein schönstes Glück zu nichte!
520Daß diese Fülle der Gesichte
Der trockne Schleicher stören muß!
Wagner im Schlafrock und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.
Wagner.
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;
Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,
525Denn heut zu Tage wirkt das viel.
Ich hab’ es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Wagner tritt auf, der will sich vergewissern was da los ist... er vermutet das Faust eine Tragödie verlesen hat
Faust.
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner.
530Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,
Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
Er sieht auch das Faust in seinem Museum gebannt ist von der Welt abgeschnitten[43]
Damit es zu Herzen geht müsse es von Herzen kommen, Faust kritisiert Wagner Wagner.Faust.
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
535Wenn es nicht aus der Seele dringt,
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
540Und blas’t die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
545
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust.
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein schellenlauter Thor!
550Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor;
Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,
[44]
Kritik an Wagner, der sei ein Maulheld ( Worten nachzujagen), Metapher: Dürre Blätter Wagner.Ist’s nöthig, Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
555In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Kunst lang/Leben kurz= lat. Sprichwort von Seneca ( Antithese, Chiasmus) , nur schwer kommt man zur Quelle also zum UrsprungAch Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
560Mir wird, bey meinem kritischen Bestreben,
Doch oft um Kopf und Busen bang’.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
565Muß wohl ein armer Teufel sterben.
Faust plädiert dafür, dass es aus einem selbst kommen muss um Freude zu machen Wagner.Faust.
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
570Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Ironie: So herrlich weit gebrachtZu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust.
O ja, bis an die Sterne weit!
575Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
580Da ist’s denn wahrlich oft ein Jammer!
Man läuft euch bey dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
585Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!
Buch mit sieben Siegeln.= Bibel Methaper,O ja, bis an die Sterne weit! Interjektion und Hyperbel
Wagner.
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust.
Ja was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
590Die wenigen, die was davon erkannt,
Will die Unterhaltung abrechen, die sich dem widmen werden der Hexerei bezichtetDie thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
595Wir müssen’s dießmal unterbrechen.
Wagner.
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.
Doch Morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
600Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen,
Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.
Wagner strebt, ebenso wie Faust, nach dem Wissen und möchte auch alles wissen, Erlaubt mir... Geste der Unterordnungab.
Faust allein.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
605Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!
Abfällig darüber dass er gierig herumkramt Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,[47]
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
Ist dankbar wegen der Erlösung von den Erdgeistern610
Faust fühlte sich klein gegen die große Natur / den ErdgeistDu rissest mich von der Verzweiflung los,
Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon615Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,
Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Er ist wie Gott ( Ebenbild = Biblisch) der Wahrheit nahe udn erreichte höhere Sphären ( abgestreift dem Erdensohn)
620
Und, schaffend, Götterleben zu genießen
Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;
625So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.
Zu jenem sel’gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß,
Du stießest grausam mich zurücke,
Ins ungewisse Menschenloss.
630
Er erkennt und spürt wie klein der Mensch ist. Der Mensch weiß nichts von seinem Schicksal
Wer lehret mich? was soll ich meiden?
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
635Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
640Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug,
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,645
Der Mensch sorgt sich eher als das er genießt, Sorge nimmt eher viele Gedanken ein, als Freude
Dort wirket sie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Er fühlt sich als niederes Lebewesen, macht sich selbst fertig650Du bebst vor allem was nicht trifft,Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.
Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
655Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.
Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,
Aus hundert Fächern, mir verenget;
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget?
660Hier soll ich finden was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –
Was grinsest du mir hohler Schädel her?
665Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,
Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Ihr Instrumente freylich, spottet mein,
Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.
670Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
675Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
680Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,
Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nützt ist eine schwere Last,
685Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.
[51]
690Ich grüße dich, du einzige Phiole!
Die ich mit Andacht nun herunterhole,
In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
Er holt einen Trank hervor ein Trank der ihn beruhigen und high machen soll.695
Erweise deinem Meister deine Gunst!
Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,
Der Trunk ist schmerzlindernd und beruhigend ( das Streben wird gemindert)700
Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,
Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit
Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,
705Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.
Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!
Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
Er will der Welt den Rücken kehren und sich nicht mehr unter den Lebenden befinden
710
Vermesse dich, die Pforten aufzureißen,
er will ins Nichts entfliehen, hat keine Angst ( vor jener dunklen Höhle nicht zu beben..)Vor denen jeder gern vorüber schleicht.
Hier ist es Zeit, durch Thaten zu beweisen,
Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
715In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,
Nach jenem Durchgang hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen
Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
720Nun komm herab, krystallne reine Schaale!
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
725Wenn einer dich dem andern zugebracht.
Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
730Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,
[53]Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht:
Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
735Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Er setzt die Schaale an den Mund.
Er trinkt den Trank der ihn beruhigen und schnell geistig verändernn soll. Er will den Trunk auf einen Zug austrinken.
Glockenklang und Chorgesang.
Chor der Engel.
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Mängel unwanden.
Faust.
Welch tiefes Summen, welch heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
740
Schleichenden, erblichenMängel unwanden.
Faust.
Welch tiefes Summen, welch heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
745
Des Osterfestes erste Feyerstunde?Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
Er hat sich laut der Weiber= Damen von Gott abgewandt und hin zu den bösen Mächten der MagieChor der Weiber.
Mit Spezereyen
750Hatten wir ihn gepflegt,
Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich unwanden wir,
755Ach! und wir finden
Christ nicht mehr hier.
Die Engel verkünden er habe alle Prüfungen überstandenChor der Engel.
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die Betrübende,
760Heilsam’ und übende
Prüfung bestanden.
Faust.
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
765Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,
Er fühlt sich wieder auf der Erde angekommen.Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
770Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.
Er differenziert sein Gefühl zum Glauben aus
Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernster Sabathstille;
Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
775Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lieb verkündete der Jugend muntre Spiele,
780Der Frühlingsfeyer freyes Glück;
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder
Chor der Jünger.
785Hat der Begrabene
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
Ist er in Werdelust
Sie freuen sich, dass er wieder da ist790Schaffender Freude nah;
Ach! an der Erde Brust,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
795Ach! wir beweinen,
Meister dein Glück!
Chor der Engel.
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoos.
Reißet von Banden
800Freudig euch los!
Thätig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
805Wonne verheißenden
Euch ist der Meister nah’,
Euch ist er da!
Die Engel frohlocken weil er wieder da ist aus den Fängen des Erdgeistes
Nacht
-->
Faust.
Habe nun, ach! Philosophie,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Und ziehe schon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum –
Habe nun, ach! Philosophie,
355
Juristerey und Medicin,Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor;
360
Heiße Magister, heiße Doctor gar,Und ziehe schon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum –
[34]
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
[35]
365
Das will mir schier das Herz verbrennen.Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
370
Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,Bilde mir nicht ein was rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
375
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
380
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß,Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
385
Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Berges-Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöle mit Geistern schweben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!
Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Trüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
390
Dann über Büchern und Papier,Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Berges-Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöle mit Geistern schweben,
395
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!
Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
400
Wo selbst das liebe HimmelslichtTrüb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
405
Ein angeraucht Papier umsteckt;Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
[36]
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrath drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
Sich bang’ in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Urväter Hausrath drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
410
Und fragst du noch, warum dein HerzSich bang’ in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
415
Da Gott die Menschen schuf hinein,Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
420
Von Nostradamus eigner Hand,Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
425
Wie spricht ein Geist zum andern Geist.Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
[37]
Die heil’gen Zeichen dir erklärt,
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
430
Ha! welche Wonne fließt in diesem BlickAuf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?
435
Die mir das innre Toben stillen,Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
440
Ich schau’ in diesen reinen ZügenDie wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
445
Auf bade, Schüler, unverdrossen,Die ird’sche Brust im Morgenroth!“
[38]
Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all’ das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!
Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt –
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?
Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
450
Und sich die goldnen Eimer reichen!Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all’ das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!
455
Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt –
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?
460
Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!Du, Geist der Erde, bist mir näher;
Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,
Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,
Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,
465
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,Mit Stürmen mich herumzuschlagen,
[39]
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen,
Es wölkt sich über mir –
Der Mond verbirgt sein Licht –
Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen
Mir um das Haupt – Es weht
Ein Schauer vom Gewölb’ herab
Und faßt mich an!
Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All’ meine Sinnen sich erwühlen!
Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!
Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine rötliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.Es wölkt sich über mir –
Der Mond verbirgt sein Licht –
470
Die Lampe schwindet!Es dampft! – Es zucken rothe Strahlen
Mir um das Haupt – Es weht
Ein Schauer vom Gewölb’ herab
Und faßt mich an!
475
Ich fühl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist.Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All’ meine Sinnen sich erwühlen!
480
Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!
Geist.
Wer ruft mir?
Faust abgewendet.
Schreckliches Gesicht!
[40]
Wer ruft mir?
Faust abgewendet.
Schreckliches Gesicht!
Geist.
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang’ gesogen,
Faust.
Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Geist.
Du flehst erathmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.
Wo bist du, Faust? des Stimme mir erklang,
Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Faust.
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
[41]
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang’ gesogen,
485
Und nun –Faust.
Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Geist.
Du flehst erathmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
490
Faßt Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?Wo ist die Brust? die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.
Wo bist du, Faust? des Stimme mir erklang,
495
Der sich an mich mit allen Kräften drang?Bist Du es? der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Faust.
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
500
Ich bin’s, bin Faust, bin deines gleichen!
Geist.
In Lebensfluthen, im Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Faust.
Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!
Geist.
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
VerschwindetIn Lebensfluthen, im Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
505
Ein ewiges Meer,Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Faust.
510
Der du die weite Welt umschweifst,Geschäftiger Geist, wie nah fühl’ ich mich dir!
Geist.
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
Faust zusammenstürzend.
Nicht dir!
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
[42] Es klopft.Nicht dir!
515
Wem denn?Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
O Tod! ich kenn’s – das ist mein Famulus –
Es wird mein schönstes Glück zu nichte!
Der trockne Schleicher stören muß!
Wagner.
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;
Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,
Ich hab’ es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Faust.
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner.
Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
[43]
Es wird mein schönstes Glück zu nichte!
520
Daß diese Fülle der GesichteDer trockne Schleicher stören muß!
Wagner im Schlafrock und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.
Wagner.
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;
Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,
525
Denn heut zu Tage wirkt das viel.Ich hab’ es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Faust.
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner.
530
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,Und sieht die Welt kaum einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
Faust.
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
Aus eurem Aschenhäufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wagner.
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust.
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein schellenlauter Thor!
Mit wenig Kunst sich selber vor;
Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
535
Wenn es nicht aus der Seele dringt,Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
540
Und blas’t die kümmerlichen FlammenAus eurem Aschenhäufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
545
Wenn es euch nicht von Herzen geht.Wagner.
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust.
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein schellenlauter Thor!
550
Es trägt Verstand und rechter SinnMit wenig Kunst sich selber vor;
Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,
[44]
Ist’s nöthig, Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Wagner.
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
Doch oft um Kopf und Busen bang’.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
Faust.
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Wagner.
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
555
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Wagner.
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
560
Mir wird, bey meinem kritischen Bestreben,Doch oft um Kopf und Busen bang’.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
565
Muß wohl ein armer Teufel sterben.Faust.
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Wagner.
570
Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
[45]
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust.
O ja, bis an die Sterne weit!
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Man läuft euch bey dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
Wagner.
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust.
Ja was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust.
O ja, bis an die Sterne weit!
575
Mein Freund, die Zeiten der VergangenheitSind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
580
Da ist’s denn wahrlich oft ein Jammer!Man läuft euch bey dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
585
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!Wagner.
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust.
Ja was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
590
Die wenigen, die was davon erkannt,
[46]
Die thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wagner.
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.
Doch Morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.
ab.Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
595
Wir müssen’s dießmal unterbrechen.Wagner.
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.
Doch Morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
600
Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen,Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.
Faust allein.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
605
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,
[47]
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;
Zu jenem sel’gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß,
Du stießest grausam mich zurücke,
610
Du rissest mich von der Verzweiflung los,Die mir die Sinne schon zerstören wollte.
Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
615
Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
620
Und, schaffend, Götterleben zu genießenSich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;
625
So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.Zu jenem sel’gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß,
Du stießest grausam mich zurücke,
[48]
Ins ungewisse Menschenloss.
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
630
Wer lehret mich? was soll ich meiden?Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
635
Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
640
Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug,Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
645
Dort wirket sie geheime Schmerzen,Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
[49]
Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.
Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,
Aus hundert Fächern, mir verenget;
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –
Was grinsest du mir hohler Schädel her?
Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Ihr Instrumente freylich, spottet mein,
650
Du bebst vor allem was nicht trifft,Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.
Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
655
Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,
Aus hundert Fächern, mir verenget;
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget?
660
Hier soll ich finden was mir fehlt?Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –
Was grinsest du mir hohler Schädel her?
665
Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Ihr Instrumente freylich, spottet mein,
[50]
Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nützt ist eine schwere Last,
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.
[51]
670
Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
675
Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
680
Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nützt ist eine schwere Last,
685
Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.
690
Ich grüße dich, du einzige Phiole!Die ich mit Andacht nun herunterhole,
In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
695
Erweise deinem Meister deine Gunst!Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,
700
Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit
Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,
705
Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!
Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
710
Vermesse dich, die Pforten aufzureißen,
[52]
Vor denen jeder gern vorüber schleicht.
Hier ist es Zeit, durch Thaten zu beweisen,
Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
Nach jenem Durchgang hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen
Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,
Hier ist es Zeit, durch Thaten zu beweisen,
Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
715
In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,Nach jenem Durchgang hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen
Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
720
Nun komm herab, krystallne reine Schaale!Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
725
Wenn einer dich dem andern zugebracht.Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
730
Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,
[53]
Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht:
Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Er setzt die Schaale an den Mund.Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
735
Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Glockenklang und Chorgesang.
Chor der Engel.
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Mängel unwanden.
Faust.
Welch tiefes Summen, welch heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
[54]
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
740
Schleichenden, erblichenMängel unwanden.
Faust.
Welch tiefes Summen, welch heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
745
Des Osterfestes erste Feyerstunde?Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
Chor der Weiber.
Mit Spezereyen
Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich unwanden wir,
Christ nicht mehr hier.
Chor der Engel.
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die Betrübende,
Prüfung bestanden.
Faust.
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,
Mit Spezereyen
750
Hatten wir ihn gepflegt,Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich unwanden wir,
755
Ach! und wir findenChrist nicht mehr hier.
Chor der Engel.
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die Betrübende,
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Heilsam’ und übendePrüfung bestanden.
Faust.
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
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Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der GlaubeDas Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,
[55]
Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernster Sabathstille;
Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lieb verkündete der Jugend muntre Spiele,
Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
Chor der Jünger.
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
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Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernster Sabathstille;
Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
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Ein unbegreiflich holdes SehnenTrieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lieb verkündete der Jugend muntre Spiele,
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Der Frühlingsfeyer freyes Glück;Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
Chor der Jünger.
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Hat der BegrabeneSchon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
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Ist er in Werdelust
Ach! an der Erde Brust,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
Meister dein Glück!
Chor der Engel.
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoos.
Reißet von Banden
Thätig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
Euch ist der Meister nah’,
Euch ist er da!
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Schaffender Freude nah;Ach! an der Erde Brust,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
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Ach! wir beweinen,Meister dein Glück!
Chor der Engel.
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoos.
Reißet von Banden
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Freudig euch los!Thätig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
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Wonne verheißendenEuch ist der Meister nah’,
Euch ist er da!
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